Elektromobilität

Ein Großteil meiner Aufmerksamkeit gilt seit 2008 der Elektromobilität. Was zu dieser Zeit noch bezweifelt wurde, ist heute Gewissheit: elektrische Antriebe sind Verbrennungsantrieben überlegen. Ein Großteil der Zweifel kommt auch daher, dass der Elektroantrieb manchmal als das Allheilmittel gepriesen wird, das er nicht ist. Das Grundübel unserer heutigen Mobilität ist ja eher, dass ein 2t schweres Fahrzeug eine Nutzlast von Durchschnittlich 110kg transportiert und dass dieses Fahrzeug auch meistens nicht in Benutzung ist. Diese ineffiziente Ressourcennutzung wird auch durch den Elektroantrieb nicht richtiger. Dennoch hat der Elektroantrieb unterm Strich weniger unerwünschte Nebenwirkungen als der Verbrennungsantrieb. Ein Faktencheck:

Was macht den Elektromotor überlegen?

  • Im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren gibt es im Elektromotor nur ein bewegliches Teil, die Komplexität und damit Fehleranfälligkeit ist somit viel geringer
  • Das maximale Drehmoment liegt ab Stillstand an und kann, je nach Anwendung, bis zur maximalen Drehzahl gehalten werden.
  • Dadurch gibt es keinen Leerlauf, kein Schaltgetriebe und somit auch keine Kupplung
  • Die Leistungsdichte ist höher und damit der benötigte Bauraum für den Antrieb kleiner
  • Der Wirkungsgrad ist im Mittel 3-4 mal höher, dadurch sinkt auch der Kühlaufwand immens
  • Es gibt keine giftigen Betriebs- oder Schmierstoffe
  • Der Motor kann mechanische Energie zurückgewinnen (Generator). Das bringt im Stadtverkehr 15-20% Energieeinsparung.
  • Der Antrieb arbeitet lautlos

Aus oben genannten Gründen sind elektrische Antriebe in der Industrie schon ein gutes Jahrhundert Standard, eine benzinbetriebe Drehmaschine ist mir bis heute nicht untergekommen

Warum erst jetzt?

Es wird gerne daran erinnert, dass der erste PKW elektrisch betrieben war, was auch stimmt. Trotzdem ist das Gesamtpaket, unabhängig von den Kosten, erst seit ca. 15 Jahren eine wirkliche Alternative zum Verbrennungsmotor geworden. Der Grund ist, wenig überraschend, der Energiespeicher. Bis Anfang der 2000er Jahre waren alle Kleinserienelektroautos mit Bleiakkus bestückt. Diese haben eine katastrophale Energiedichte (Der Akku eines Tesla P85 wöge ca. 2,5t statt 0,5t) und eine ebenso katastrophale Umweltbilanz. Diese Autos haben sich also selbst verhindert, dazu braucht es kein Verschwörung ("Die böse Ölindustrie", "Die böse Autoindustrie" etc.)

Es lässt sich also sagen, dass erst die Entwicklung des Lithiumakkus Elektro-PKW technologisch relevant gemacht hat.

Dann kommen die Abgase eben aus dem Kraftwerk?

Ja, aber weniger. In Deutschland wird beispielsweise 50% des Stroms regenerativ erzeugt. Tendenz steigend. Die Herstellung einer kWh Strom stößt ca. 401g CO2 aus. Ein halbwegs moderner Diesel-PKW mit realen 6l/100km stößt 15,8kg CO2 (und noch einige andere Gase) pro 100km aus. In Wahrheit sind es eher 20 kg, wenn man den Förderungs- und Rafinerieprozess einschließt. Ein modernes E-Auto mit 15kWh/100km stößt in Deutschland 6 kg pro 100km aus. Hinzu kommt, dass ein Elektrofahrzeug vor Ort überhaupt keine Emissionen erzeugt. Das ist im Falle von CO2 irrelevant aber im Falle von gesundheitsschädlichen Gasen höchst relevant.

In Norwegen wird elektrischer Strom zu fast 100% regenerativ erzeugt. Das ergibt dann echte 0 kg CO2 pro 100km.

Die Herstellung verschlingt Energie?

Stimmt, die Herstellung von Lithiumakkus ist energieaufwändig, man spricht von 150kWh pro kWh Kapazität. Also 3600kWh für die Herstellung des 24kWh Nissan Leaf Akkus. In der Presse wurden nun schnell Zahlen und Vergleiche kolportiert, die die Elektromobilität ad absurdum führen sollten. So wurde ein Tesla Model S (vergleichbar mit Mercedes S-Klasse) mit einem Polo Diesel verglichen und, Überraschung, der Polo konnte um die 150.000km fahren, bis die Herstellung des Tesla-Akkus "amortisiert" war. Ferner wurden für die Herstellung des Tesla Akkus Werte von 2009 in China angenommen. Weder wurden mit dieser Technik jemals Tesla-Akkus gebaut, noch in China.

Rechnen wir selbst. 150kWh in Deutschland würde bedeuten 60kg CO2. Macht 1,5t für den Nissan Leaf. Der Minderverbrauch wegen des einfacheren Motors? geschenkt. Die Herstellung von Diesel aus Rohöl? Auch geschenkt. Also, wie lange braucht unser obiger Diesel-PKW um 1,8t CO MEHR auszustoßen als der E-PKW? Ganze 18000 km.

Wir wiederholen mit Model X (24kWh/100km - 100kWh Akku) vs. Audi Q7 3.0 TDI (12l/100km): 29900 km.

Klar ist, dass der zunehmende regenerative Anteil an der Stromerzeugung die Bilanz verbessert. Klar ist aber auch, dass der Ruf nach mehr Reichweite die CO2-Bilanz verschlechtert. Wer also seinen Kindern und Enkeln keine Sturmfluten und Missernten bescheren möchte, sollte sich auch in Zeiten der E-Mobilität kein Monster-SUV mit 500km Reichweite anschaffen - um einmal im Jahr in den viel besungenen Fernurlaub zu fahren und ansonsten 10km zur Arbeit.

Gibt es überhaupt genügend Rohstoffe?

Als erstes stürzte sich hier die Presse auf "seltene Erden" die sich dann aber als doch nicht so selten herausstellten. Darüber hinaus kann man sie durch Nutzung von Asynchronmotoren auch wieder aus dem Auto verbannen (das macht Tesla bei Model S und X)

Als nächstes: Lithium. Es gäbe zu wenig davon und die Förderung würde immense Umweltschäden verursachen. Ersteres ist schlicht Unfug. Bekannte Resourchen (also Lithium, an das man mit aktueller Technologie gut rankommt) belaufen sich auf ca. 40 Mio. Tonnen. Pro kWh Akku werden ca. 150g davon gebraucht. Macht 3,6kg für den viel erwähnten Leaf. Macht 11 Mrd. Nissan Leaf - 10 mal mehr als der aktuelle Gesamtbestand.

Man kann es auch anders rechnen: In jedem Verbrenner stecken ca. 15kg Blei für die Startbatterie. Es gibt aber nur halb soviel Blei wie Lithium. Trotzdem spricht hier niemand von einem Engpass.

Nicht zu leugnen sind die Umweltschäden durch Kobalt- und Lithiumförderung. Das ist allerdings nicht nur ein Argument gegen die Elektromobilität sondern gegen Konsum im Allgemeinen. Egal ob Rohöl, Braunkohle, Eisen oder eben Lithium gefördert werden, es entstehen immer Umweltschäden. Hinzu kommt, dass das Lithium für einen Akku EINMAL gefördet werden muss, das Rohöl für Verbrennungsmotoren muss ständig und in viel größeren Mengen gefördert werden. Die dabei entstehenden Umweltschäden dürften allgemein bekannt sein.

Zuletzt sollte man sich auch fragen, warum das Lithium- und Kobaltthema gerade jetzt solche Aufmerksamkeit erfährt. Beide Rohstoffe werden schon seit einem guten Jahrhundert gefördert und nur ein Bruchteil davon fließt in die E-Mobilität. Warum hat also bei der massenhaften Verbreitung von Glaskeramik (der größte Lithiumkonsument) keiner auf die Umweltschäden aufmerksam gemacht? Oder bei Smartphones? Warum ist nicht allgemein bekannt, dass Kobalt zur Dieselentschwefelung genutzt wird?

Was ist mit Wasserstoff?

Klingst erstmal nicht schlecht. Tanken wie bisher in ein paar Minuten, größere Reichweite aufgrund der hohen Energiedichte. Halten wir uns auch erstmal nicht an Kosten auf, die sinken ja in Serie. Der große technische Nachteil liegt im Wirkungsgrad. Während batterieelektrische Fahrzeuge hier auf ca. 80% ab Steckdose kommen, sind es bei Wasserstoff nur 32% aufgrund von Herstellung (80%), Komprimierung (2x88%), Brennstoffzelle (60%), Antrieb (85%). Hierbei handelt es sich um Spitzenwirkungsgrade. Zu beachten ist hier, dass der "Ausgangsrohstoff" jeweils elektrischer Strom ist, der einmal die sehr kurze Kette Netz->Ladegerät->Akku->Antrieb und einmal die sehr lange und verlustreiche Kette Netz->Elektrolyse->Komprimierung->Transport->Komprimierung->Brennstoffzelle->Antrieb nimmt.

(Eine einer Vorversion des Textes hatte ich einen zu geringen Wirkungsgrad der Elektrolyse recherchiert, dafür aber die Kompression vor dem Tanken vergessen. Der Gesamtwirkungsgrad erhöht sich damit von 19% auf 32%)

Auch das Risiko mit batterie-elektrischen Fahrzeugen in einer Sackgasse zu landen ist relativ gering: Brennstoffzellenfahrzeuge sind batterie-elektrisch - ergänzt durch eine Brennstoffzelle.

Letzten Endes ist die Diskussion um Wasserstoff in PKWs ein Scheingefecht. Hier soll die Unsicherheit verbreitet werden "aufs falsche Pferd zu setzen". Aufgrund der Fortschritte in der Speichertechnik ist diese Frage längst entschieden, weswegen auch alle großen Hersteller auf batterie-elektrische Fahrzeuge setzen. Wasserstoff mag im Schwerlastverkehr und der Luftfahrt zukünftig eine wichtige Rolle spielen aber sicher nicht im Straßenverkehr.

Sind nicht Plug-In Hybride die bessere Wahl?

Mal abgesehen davon, dass PHEV (Plugin Hybrid Electric Vehicle) gerne verwendet werden um Subventionen für Verbrennerfahrzeuge einzustreichen, sind sie technologisch ja erstmal interessant. Der saubere Elektroantrieb für Kurzstrecken wird mit dem reichweitenstarken Verbrennerantrieb für Langstrecken kombiniert. Die teure Batterie kann klein ausgelegt werden. Leider mit im Paket sind somit natürlich auch alle Nachteile, also durchrostete Auspuffe, undichte Kühlsysteme usw. die man vom Verbrenner kennt.

Sicherlich sind Plug-In Hybride eine gute Wahl für diejenigen, die noch Berührungsängst mit reinen Elektrofahrzeugen haben. Mit weiteren Fortschritt in der Speichertechnik und besserer Bildung der Autofahrer werden aber meines Erachtens PHEV in einigen Jahren technologisch überholt sein.

Was ist mit der Ladeinfrastruktur?

Auch hier gibt es einige Mythen auszuräumen. Die erste Behauptung lautet, die E-Mobilität sei nicht alltagstauglich, da "ein Großteil" der Bevölkerung nicht zuhause laden könne und die Ladeinfrakstruktur diese Lücke zur Zeit nicht schlösse. Das ist zwar richtig, aber was ist mit "der Randgruppe"? Also all diejenigen mit Eigenheim oder Mieter die in der eigenen Einfahrt parken können? Ein Spaziergang durch Wohngebiete offenbart da ja einiges Potential. Hier kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass die E-Mobilität alltagstauglich ist. Ich wohne zur Miete und habe mit schlicht eine Schukosteckdose an die Hauswand geschraubt. Hier lade ich mit 2,3kW.

Nun kommt der nächste Einwand: mit 2,3kW dauert es ja 26 Stunden einen 60 kWh Akku aufzuladen! Auch richtig, aber wer verfährt jeden Tag 60 kWh? Nehmen wir mal eine Pendelstrecke von hin- und zurück 60 km (9-12 kWh) an, ohne Laden beim Arbeitgeber. Sagen wir um 18 Uhr komme ich nach hause und um 7 will ich wieder los. Dann habe ich 13 Stunden Zeit um 12 kWh nachzuladen - ich könnte also mit lediglich 900W laden. Oder eben 5 Stunden mit 2,3kW.

Weiter heißt es, die Ladeinfrastruktur in Deutschland sei generell unterentwickelt. Auch hier kann ich aus eigener Erfahrung das Gegenteil behaupten. Entlang aller Autobahen sind Schnelllader vorhanden, die je nach Fahrzeug in 30 Minuten 150-500km nachladen können. Die Reichweite von Elektrofahrzeugen selbst mit kleinem Akku ist in Deutschland (und Westeurope generell) also unbegrenzt, da spätestens nach 80km wieder nachgeladen werden kann. Aber: die Abrechnung und Preisgestaltung erinnert eher an Wild-West. Von Gratisladern über 30 cent/kWh bis über 1€/kWh ist alles vorhanden. Vorher lässt es sich oft nur schwer feststellen, was es kostet. Auch die Bezahlmethoden erfordern ein hohes Maß an Enthusiasmus, eine gute Hand voll Ladekarten und Apps sollte man dabei haben um durch Europa zu kommen. Hier liegt noch viel Arbeit vor den Betreibern. Einziger Ausweg für Wohlhabende: Tesla fahren. Diese Firma hat ihr eigenes Ladenetz aufgebaut.

Update:  zum Thema Laden hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. So kann man beispielsweise mit der EnBW Ladekarte zwischen 39 ct (plus 18€/Monat Grundgebühr) und 65 ct ohne Grundgebühr europaweit laden. Sogar auf den kanarischen Inseln funktioniert die Karte. Desweiteren hat Tesla fast alle seine Ladestationen für die Allgemeinheit freigegeben. Rasthöfe mit 20 oder mehr 300 kW Laddesäulen sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Diese ganze Entwicklung fand zwischen 2020 und 2024 statt.

Bricht nicht das Stromnetz zusammen, wenn alle E-Auto fahren?

Erste Gegenfrage: ist es überhaupt das Ziel, dass "alle" E-Auto fahren? Soll nicht viel mehr Verkehr auf ÖPNV und Sharing verschoben werden?

Zweite Gegenfrage: wie lange dauert es bis "alle" E-Auto fahren? Wachen wir morgen auf und es stehen 47 Mio. E-Autos auf den Straßen?

Also, bricht das Stromnetz zusammen? Nein! Die Anzahl der Fahrzeuge steigt stetig, jede Ladestation und private Wallbox muss angemeldet werden. Die Netzbetreiber haben also genügend Zeit und Informationen um Flaschenhälse zu beseitigen.

Auch der Einwand "wenn alle um 18 Uhr ihr Fahrzeug einstecken und mit 100kW laden" ist aus der Luft gegriffen. Keiner lädt zuhause mit 100kW sondern eher mit 2-3kW und es werden auch nicht zur selben Sekunde Millionen E-Fahrzeuge eingesteckt. Es mag dann nach Feierabend (ein langer Zeitraum von 15-20 Uhr!) eine gewisse Lastspitze geben, aber die ist eben so planbar wie Lastspitzen durch Backöfen.

Was das Netz nicht gut kann, ist Lastspitzen abzufangen, die innerhalb weniger Sekunden anfallen. Wenn also 10 Mio. Bürger sich um 19:00:00 anfangen zu föhnen (Lastsprung 20 GW/s oder 30% der mittleren Leistung) ist das ein Problem. Wenn die gleichen 10 Mio. aber innerhalb von 5 Stunden ein E-Fahrzeug nach dem anderen anstecken (Lastsprung ca. 0.002 GW/s oder 0,003% der mittleren Leistung) so ist der höhere Verbrauch längst ausgeregelt, bis der nächste sein Fahrzeug ansteckt. Annahmen: mittlere Leistung im Deutschen Netz 60GW, Ladeleistung eines E-Fahrzeugs 3,6kW, Leistung eines Föhns: 2kW.